geschichten, texte, fragmente &
gedanken über das auswandern & in die ferne schweifen, das ankommen & heimischwerden, vermissen & liebgewinnen.
für alle entdecker, die ihr zuhause in der weite suchen & (hoffentlich) in sich finden.

so oft es der alltag zulässt, wann immer möglich zweiwöchentlich, gibt's hier auf halloleipzig neues zu leipzig & umgebung.
leipzig, mein leipzig, lob ich mir (angelehnt an goethe).
Fischknusperli
Heute mag sie keinen Fisch mehr. Besser gesagt: Sie kann ihn nicht mehr riechen. Nicht, dass sie Fisch nicht mögen würde – nicht diese Art von „nicht mehr riechen können“, sondern olfaktorisch.
Obwohl, eigentlich sind es ja gar nicht die Fische, die sie mit konzentriertem Geruch nach Meer, Sonne und Urlaub in die Nas beißen; die Fische haben weniger Eigengeruch als die Algen, die im durch die Sommerhitze ausgetrockneten Hafenbecken in den verbleibenden Pfützen vor sich hindümpeln.
Einmal im Jahr in den Sommerferien beim Fischessen gab es Fischknusperli. Die mochte sie. Damals konnte sie Fisch noch riechen. Es war herrlich – der Duft heißen Fritteusenöls, die lachenden, scherzenden Leute, spektakuläre Sonnenuntergänge, laue Sommerseeluft, die einem um die in kurzen Hosen und Röcken entblößten Waden streicht. Dazu die Fischknusperli in Bierteig mit Kräuterremoulade. Herrlich!
Konservierte Sommererinnerungen aus der Kindheit.
Wie gut, dass Erinnerungen geruchslos sind – sonst wäre ihr diese wahrscheinlich nur noch halb so lieb.
Fischetag
Am Morgen springen Fische am Sandstrand durch Schwimmringe und landen auf weichen Luftmatratzen.
Am Mittag zischen Fische mit ihren Fahrrädern über den aus Teer gegossenen, von der Sonne erhitzten Parkplatz.
Ab Abend setzen sich Fische hungrig vom vielen Spielen gemeinsam an den Tisch und schlemmen Caprese mit viel Basilikum, Olivenöl und Aceto Balsamico.
Und nachts, nachts da träumen Fische von Stracciatellaeis.
Schlecken, nicht nachdenken
Wieso schmeckt Eis im Sommer eigentlich am besten? Die anderen Jahreszeiten wären dafür ja genauso ausgelegt, die Köstlichkeit zu genießen.
Im Herbst mit Marroni-Stückli oder Birnengeschmack.
Im Winter mit heißem Zimtapfel-Topping oder Khakimus und Gewürznoten wie Kardamom.
Im Frühling mit Rosen- oder Fliederessenz, bestreut mit Ginster- und Veilchenblüten.
Aber das Eis im Sommer hat einfach seinen ganz eigenen Reiz – in der flirrenden Hitze von heißen Sommernachmittagen, zu später Stunde an lauen Sommerabenden.
Vielleicht scheiden sich an dieser Jahreszeiten-Eis-Frage auch die Geister; so wie diskutiert werden kann, ob Eis in der Waffel oder aus dem Becher gleich schmeckt und ob das eine besser ist als das andere.
Oh, das Eis tropft schon über die Finger – schlecken, nicht nachdenken.
S•O•M•M•E•R•R•E•G•E•N
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S |
Sommerregen, ganz leicht, fast prickelnd auf meiner Haut
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O |
Offen und leicht mein Herz, wie einer der Mauersegler, die den Himmel mit ihrem Tschilpen füllen
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M |
Mit Sommergedanken gefüllt mein Kopf
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M |
Mit Aprikosensorbet gefüllt mein Bauch
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E |
Ein berauschender Sommertag geht mit einem Sommerregen zu Ende
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R |
Regentropfen, so fein wie Sprühnebel, legen sich auf mein Haar
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R |
Regentropfen, weder kalt noch warm
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E |
Einzig der Gedanke an morgen stimmt mich wehmütig
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G |
Gar lieb ist mir der heutige Tag geworden
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E |
Er soll noch nicht weiterziehen, noch nicht enden, weiter seinen sanften Schauer über mich ausbreiten
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N |
Nicht aufhaltbar perlt die Zeit wie Regen auf meiner Stirn, bis der Tropfen fällt und die Wärme meines Körpers den letzten Hauch Feuchtigkeit getrocknet hat |
Der nächste Winter kommt bestimmt
Der Tag geht zu Ende und meine Arbeit ist getan. Es trudeln zwar noch vereinzelt Personen, Paare, kleine Grüppchen am Badestrand ein, aber die benötigen meine Dienste nicht mehr.
Mit der einsetzenden Dämmerung werden die Gesichter entspannter, die Gespräche ausgelassener, die Nacktheit, in weiches Abendlicht getaucht, weniger bedeutsam.
Tagsüber bin ich hochfrequentiert, die nackten Tatsachen zu verbergen, ein Gefühl von Privatsphäre herzustellen. Dabei – DAS Bisschen Stoff, was Verborgenes versteckt…
Ich will mich jedoch nicht beklagen und führe diesen Gedankengang, der mich meinen Job kosten könnte, nicht weiter aus. Ich bin froh, eine Aufgabe zu haben. Dadurch, dass ich diese habe, einen Sinn und Zweck erfülle, werde ich gewartet und gepflegt, wird sich gekümmert. Jedoch dürfte meine Meinung zum Thema Scham um das Nacktsein der Menschen mit dem wenig Gesagten und dem vielen Ungesagten deutlich werden.
Aber wie gesagt, der Tag geht zu Ende, ich bin zufrieden mit mir und meiner heute geleisteten Arbeit, genieße nun meinen Feierabend und die laue Sommerluft, beobachte die späten Badegäste und bin wärme mich schon etwas vor an dem Gedanken meiner saisonbedingten Wichtigkeit. Denn der nächste Winter kommt bestimmt.
Das muss wohl so
Eis
Eis essen
Eis am Stiel
Ein in der Waffel
Eis in der aktuellen Lieblingssommersorte
morgen könnte ich doch mutig sein
ein Wagnis eingehen, eine neues Eis testen
Geschmacksexplosionen blinzeln mir verführerisch aus der Eistruhe entgegen
Eis – ich entscheide mich, entscheide mich um, wieder zurück
Eis – jeden Sommer ein Lieblingsglacé, das muss wohl so, mmmmmmh
Postkartengrüße
Liebe Freundin,
das ist die erste Postkarte, die ich seit langem verschicke und du sollst die Empfängerin sein, auch wenn Du sie erst in Händen halten wirst, wenn ich schon wieder zurück sein dürfte, aber auf dem Wasser kann ich sie – außer per Flaschenpost oder Briefmöwe – nicht losschicken.
Ich genieße die Zeit auf dem Schiff so sehr!
Das Meer, so weit das Auge reicht, spektakuläre Sonnenuntergänge, gefühlt den ganzen Tag mit den Füßen im Wasser dümpelnd, ein Buch in der Hand, die Nase in den Seiten vergraben, gebräunt von der Äquatorsonne, Salz im Haar.
Die Zeit vergeht hier draußen langsamer und schneller zugleich; die Tage fließen ineinander und die Zeit wird unwichtig – unwirklich.
Alles, was zählt, ist, dass das Essen schmeckt (je nachdem, wer von der Crew Küchendienst hat, tut es das nicht immer), wir nicht in einen Sturm geraden, dass sich niemand einen Sonnenstich holt.
Die kilometerweite Tiefe des Ozeans macht mir nach wie vor Angst und ich traue mich nicht, im offenen Wasser zu schwimmen, aber auf dem Boot fühle ich mich sicher. Dieser Umstand ist seltsam, denn es ist ja nur eine Nussschale, die mich von eben dieser Tiefe trennt.
Ich hoffe, Du hast auch schöne Ferien und ich wünschte mir, Du könntest hier mit mir sein und das Meeresleuchten, den atemberaubenden nächtlichen Sternenhimmel beobachten.
Salzige Meerluftgrüße zu Dir aufs Festland.
xx
Kornblumen
Vor sich hinträumend, gedanklich weit weg, verfolgt sie den wippenden Flus eines Schmetterlings. Die Sommerwiese blüht, eine sanfte Brise lässt die Grashalme schaukeln.
In ihrem Kopf schiebt sie Zutatenlisten, mögliche Geschmackskombinationen, Mengenverhältnisse hin und her.
Selbst in den wenigen freien Stunden ohne Verpflichtungen, die ihr die Pâtisserie lässt, ist sie gedanklich nicht frei. Ihr ganzes Sein kreist um die Qualität von Produkten, Einkaufslisten, Rezepte, Zubereitungsarten, Ofentemperaturen, neues Küchenequipment. Und gerade um die neuste Kuchenkreation, die sie testbacken wird, wenn sie zurück in der Backstube steht.
Ein einfacher, runder Kuchen, in der Mitte halbiert, die Hälften jeweils um 180° gedreht, sodass sie zueinander liegen, wie die Flügel eines im Flug in Kuchenform gebannten Schmetterlings.
Sie springt auf; so unfrei ihre freie Zeit ist, so frei die Entscheidung, diesem Kuchen hinterher zu gaukeln zu tausend möglichen Füllungen, Ganache-Überzügen, Zuckergussverzierungen.
Der Schmetterling setzt sich auf eine Kornblume, die sich an dem eben noch besetzen Platz wieder aufzurichten beginnt.
Ich habe Hunger auf Leben, Abenteuer und einen wilden Sommer.
Leipzig - mein Leipzig -, was wür ein Sommer...
© anaïs-madlaina büchl
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